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Kategorie: Trail Stories

Carnaval del Fin del Mundo

Carnaval del Fin del Mundo

3. März 2025, Ushuaia

Unser erster Tag ist Rosenmontag. Ein Zufall, ungeplant, völlig vergessen, nicht auf dem Schirm gehabt, das kann nur Leuten aus Norddeutschland passieren. So geraten wir in einen Karnevalsumzug in Südamerika. Etwas besonderes, bunt, laut, tanzend, rhythmisch. Ushuaia ist nicht Rio, aber man will sich nicht lumpen lassen, immerhin ist das der Carnaval del Fin del Mundo.

Unser Taxifahrer Nico hat auf dem Weg vom Flughafen in die Stadt etwas abschätzig gesagt: Carnaval pocito, ein wirklich nur ganz kleiner Umzug. Und es stimmt, gerade mal 5 Gruppen ziehen am Nachmittag an uns vorbei. Die tanzen dafür um so länger, wirbeln um so schneller durcheinander, aber nur ganz langsam die Straße runter, damit das Ganze nicht nach einer halben Stunde schon vorbei ist. Es ist ganz fantastisch, hier in ein Fest der Einheimischen zu geraten.

An beiden Seiten der Avenida Maipú stehen und sitzen die Familien, die Väter und Mütter mit Mate-Bechern in der Hand. Alle paar Meter qualmt es aus aufgeklappten Metallfässern, asado, Barbecue. Chiropan oder Hamburguesa mit Chimichurri-Sauce, für ein paar Tausend Peso. Veggie gibt es in Ushuaia nur in den Touristenlokalen, zu Touristenpreisen.

Plötzlich rennen zwei Kinder juchzend vorbei und spritzen uns aus Spraydosen ins Gesicht. Alles ist weiß, der Rucksack, die Jacke, die Haare, voll mit seifigem Schaum. Espuma de Carnaval verkauft sich heute noch besser als Grillwurst. Alle Kinder  haben sich damit eingedeckt, und wer noch zu klein ist, dem helfen die Eltern beim Sprühen. Die Kinder laufen dosenschüttelnd durch die Straßen, starten Schaumschlachten und spritzen arglosen Zuschauern beim Vorbeigehen heimlich in den Nacken.

Wild tanzend, springend, stampfend ziehen die Karnevalsgruppen an uns vorbei mit schillernden Namen wie Llamerada de los Andes, Supremacía Caporal und Murga Estrellas del Sur. Vor jeder Gruppe fährt ein Pickup mit einem Lautsprecherturm. Eine Gruppe hat Trommler dabei, eine andere macht mit Schellen am Fuß auf sich aufmerksam. Auch politisch ist es, der Trompeter hat eine Flagge mit Nunca Musk, Never Musk, an sein Instrument gehängt.

Als die letzte Karnevalsgruppe das Singen, Trommeln und Gitarrespielen einstellt, zählt der Moderator auf der Bühne runter: Cinco, cuatro, tres, dos, uno … Schaum aus Hunderten Sprühdosen flockt durch die Luft, jeder gegen jeden, alles weiß. Dann dreht die Musik auf und alle tanzen und feiern.

Ushuaia

Ushuaia

3.März 2025, Ushuaia

Spätsommer in Feuerland. Das Wetter ist kühl, 12 Grad, leichter Wind, immer wieder sprühen die Wolken ein paar Tropfen von den Bergen an die Küste. Die Sonne scheint. So gut ist das Wetter selten am Ende der Welt.

Ushuaia (ausgesprochen Usuaja), Argentinien die südlichste Stadt der Welt. Und ganz nah am Ende der Welt, el fin del mundo. Viele Orte reklamieren diesen Titel für sich: Kap Finisterre, Finistère, Land‘s End. Aber hier stimmt es, zumindest für einen Europäer, der 14.000 Kilometer von seinem Zuhause entfernt ist. Südlich nur noch ein Stück Chile, dann die Antarktis.

Wir steigen den Berg hoch, an dem am unteren Ende unser Hostel liegt. Raus aus der Stadt, Richtung Gletscher Martial. Der Boden ist feucht, es hat die ganze Nacht in Strömen geregnet. Durch einen Scheinbuchenwald: Hohe Bäume mit winzigen Blättern, die rissigen Stämme in mit Flechten ummantelt. Oben öffnet sich der Wald für einen grandiosen Blick auf Berge und den Gletscher Martial. Für Argentinier und Chilenen ist es nur ein Klecks Schnee, denn weiter im Norden in den Anden reihen sich die imposantesten Gletscherzungen aneinander. Wir staunen trotzdem. Der Boden ist wasserdurchdrungen, turbal, Moor. Mein Schuh bleibt stecken, an den Hosenbeinen bis zur Wade Schlamm.

Hier oben, zwischen Moor und Wald, wächst die Calafate-Beere, eine Berberitzenart, die besondere Kräfte haben soll und jeden, der sie isst, immer wieder nach Patagonien zurückbringt. Ich probiere vorsichtig eine der roten Früchte am Wegrand, ein bisschen langweilig schmeckt sie, aber nicht bitter. Wir wandern jetzt oben, am Waldrand, an einem kleinen See entlang und treffen zwei Amerikaner mit ihrem argentinischen Guide. Auch sie pflücken Beeren. Ich zeige auf die roten Beeren: Calafate? Nein, nicht die roten Beeren! Violetas! Calafate sind violett, und sie hängen in einem stacheligen Busch. Der Argentinier zeigt mir die richtigen. Und die haben tatsächlich einen markanten, süßen Geschmack, wie Blaubeeren. Meine Finger sind vom Saft rot. Die roten Beeren, lese ich später, sind Krähenbeeren. Immerhin nicht giftig, zu meinem Glück, auf den Falklandinseln machen sie Marmelade daraus, steht im Internet.

Während wir unsere noch dürftigen Wandererfahrungen hier in tierra del fuego mit den Amerikanern austauschen, kommt el zorro aus dem Gebüsch. El zorro colorado, ein Andenschakal, auch Feuerlandfuchs genannt. Neugierig schaut er zu uns, lässt sich nicht aus der Ruhe von ein paar gringos bringen. Dann trottet er weiter, und auch wir. Noch ein Blick auf die Berge, einer auf den Beagle Kanal und auf den Hafen von Ushuaia. Dann steigen wir wieder herab und können es immer noch nicht ganz glauben, wo wir angekommen sind.

Wildnis, I like

Wildnis, I like

Ein Jahr nach unserer Trekking-Tour auf dem A.T. bin ich immer noch nicht dazu gekommen, alle meine Journal-Einträge ins Blog zu übertragen. In der Zwischenzeit habe ich ein Editorial in der c’t geschrieben, dass ein bisschen aus unseren Reiseerfahrungen erzählt – vor allem unseren Umgang mit Technik. Hier ist der Link: