Las Torres del Paine
13.-17. März 2025, Torres del Paine
Lindo, bello, bonito, hermoso, guapo, precioso. Im Spanischkurs habe ich ein halbes Dutzend Wörter gelernt für schön, und Luis vom Campingplatz in Ushuaia hat uns noch ein paar mehr beigebracht. Am besten gefällt mir miravilloso, übersetzt eigentlich wunderbar. Es una miravilla, es ist ein Wunder.
So ein Wunder, jedenfalls wunderbar, ist der Nationalpark Torres del Paine in Chile. Patagonien ist atemberaubend schön, und hier im Nationalpark hat die Natur diese Schönheit in 2500 Quadratkilometern auf die Landkarte gequetscht: die Berge der Cordillera del Paine, dazu Seen, Gletscher, Flüsse, Wasserfälle, und über den Pumas kreisen die Condore vor der untergehenden Sonne, wenigstens auf den Postkarten.
Wir fahren mit dem Katamaran zu unserer ersten Station, dem Zeltplatz unter dem Paine Grande. Sonnenschein, in der Ferne der erste Blick auf die berühmten Türme, las Torres. Es ist windig, bisweilen schwappt eine Welle über das Boot und kippt einen Eimer Wasser auf die Passagiere, die sich auf dem engen Oberdeck den vermeintlich schönsten Platz mit dem besten Ausblick ergattert hatten.
Auch im Camp entscheidet vor allem das Wetter, ob man einen guten Tag hat. Wir haben Glück mit der Sonne. In den Tagen zuvor gab es einiges an Regen, sogar Schnee. Und in der vergangenen Nacht fegten die Böen den Regen durch das Zeltdorf und zerrissen die Wände von zehn der gelben Leihzelte. Wir bauen unser Zelt deshalb in einer unebenen, aber windgeschützten Kuhle auf – lieber einen krummen Rücken als nasse Füße in der Nacht. Dann laufen wir los, der Tag bleibt sonnig. Der Nationalpark ist auch im März, Herbstanfang in Chile, noch voll mit Menschen, die unbedingt einmal in ihrem Leben den W-Trek laufen wollen, in drei oder vier Tagen die schönsten Schneisen hinauf, die die Natur in die Berge geschnitten hat. Oder den längeren O-Trek, der um den Paine Grande und die Torres herumführt. Wir wählen für unseren Spaziergang die einzige Route, die von unserem Camp aus zu keinem dieser Treks gehört, und sind vom ersten Schritt an allein. Großartig.
Wir laufen den Lago Pehoé entlang, hinter uns ragt der imposante Paine Grande über dem Zeltplatz, vor uns patagonische Steppe, in der Ferne grasen ein paar Pferde. Immer wieder bleiben wir stehen, überzeugt davon, diesmal wirklich den besten Aussichtspunkt für das perfekte Foto gefunden zu haben. El puma, dessen Sichtung mindestens ebenso begehrt ist wie ein absolvierter W-Trek, lässt sich heute nicht blicken. Vielleicht ganz gut so, auf so einsamen Wegen; aber ein wenig hoffnungsvoll suche ich dann doch die Hügel um uns herum nach ihm ab. Zumal uns Walter aus Buenos Aires versichert hat, dass Pumas hier in Südamerika völlig harmlos seien, normalerweise.
Walter hatte einen gesehen, vor ein paar Tagen, als er mit einem Guide den W-Trek lief. Der Puma spazierte einfach durchs Camp, störte sich nicht an den Leuten. So ganz glauben konnten wir das nicht. Walter haben wir im Hostel in Puerto Natales getroffen, mit zwei Krücken, humpelnd Teller und Tassen durch den Aufenthaltsraum jonglierend. Er hatte sich am vorletzten Tag seiner Torres-Wanderung auf dem W-Trek verletzt, einen Tag vor dem Aufstieg zu den Türmen. Tat überhaupt nicht weh, sagt er, wurde nur dick, er lief an dem Tag die Etappe noch zu Ende. Dann überzeugte ihn sein Guide am nächsten Tag, abzubrechen. Der Guide brachte ihn zurück nach Puerto Natales, nachmittags die Diagnose: Knochenbruch. Nur ein falscher Schritt, und die Reise war zu Ende. Während wir zum Zeltplatz zurückkehren, sitzt Walter noch im Bus nach Bariloche, 30 Stunden Fahrt, um von dort zurück nach Buenos Aires zu fliegen – das war kurzfristig am günstigsten.
Nachts im Zelt rüttelt der Wind an unserem Zelt, und über uns ein Sternhimmel, den wir auf der Südhalbkugel neu lernen müssen, mit dem Kreuz des Südens, das die hier wehende chilenische Magellanes-Flagge ziert. Wir laufen in unseren vier Tagen im Park kein W, kein O, finden unsere eigene Strecke, ein kleines Y vielleicht. So müssen wir nicht ständig die Zeltplätze wechseln und mit schweren Rucksäcken wandern. Und wir haben dadurch mehr Zeit, sitzen in unseren Pausen staunend vor den Gletschern und beobachten, wie krachend immer wieder Stücke ausbrechen. Am Frances, einem Berggletscher, rauscht das zerbröselnde Eis als weißer Fluss den Berg hinab. Am Grey stürzen die Stücke in den Lago Grey und tauchen nach kurzer Zeit als kleine Eisschollen und Eisberge auf. Wenn sich der untere Teil dabei nach oben dreht, wird das dunkle Blau des Gletschereises sichtbar, das das tiefere, das ältere, das stärker komprimierte Eis trägt.
Am vierten Tag verlassen wir den Kernbereich des Torres del Paine mit der Fähre und finden einen Zeltplatz auf der anderen Seite des Lago Pehoe. Wir haben auch dieses Mal Glück mit dem Wetter, denn wir sitzen in der Sonne, während sich auf der anderen Seite, über dem Paine Grande die dunklen Wolken zusammenziehen.
Wir steigen auf den Mirador del Cóndor, beobachten die majestätischen Andenvögel, die vor ihren Nesthöhlen sitzen. Auf der Bergkuppe oberhalb der Nester machen wir es uns gemütlich und warten darauf, erst Flügelschläge zu hören, dann den Condor über uns aufsteigen zu sehen. Doch es ist zu spät, er schläft offenbar schon. Und so schenkt er uns eine wunderbare Stunde da oben auf dem Berg, in der wir einfach nur beobachten, wie die Sonne untergeht und die Wolken über den Paine Grande ziehen.
Auf der Busfahrt zurück haben wir zum ersten Mal nach vier Tagen wieder Internet. Walter hat in der Zwischenzeit geschrieben: Er bekommt jetzt eine Orthese, muss sie sechs Wochen tragen. Danach erst mal Reha. Aber nächstes Jahr, schreibt er, kommt er zurück, beendet den W-Trek. Und dann noch den O-Trek obendrauf. Und zum Schluss noch eine geführte Tour über den Grey-Gletscher. Ich glaube, er meint es ernst.